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Ein Taxi in Berlin nacht an einer
Baustelle nahe der ehemaligen Berliner Mauer

Als ich noch in Berlin lebte, hatte ich einen netten kleinen Nebenjob in der WBT-Taxizentrale in Berlin, wo ich an meinem Platz an starken Tagen 50 Aufträge innerhalb einer Stunde aufgenommen hatte. Das waren spannende Erfahrungen. Diesen kleinen Rant hatte ich dann etwa 2017 geschrieben und erstmals auf den Webseiten der "Denkhandwerker", leider sind die Seiten abgeschaltet, meines Kollegen Axel Oppermann veröffentlicht.

12. April 2023

Die 13 ultimativen Tipps zum Vernichten von Call-Center-Agenten und für die Zerstörung von Telefonkonferenzen

Sie haben eine langweilige Telefonkonferenz vor sich und diese ist außerdem noch zu irgendwas um 1 Prozent mit einer Person besetzt, die Deutsch nicht als Muttersprache spricht, weshalb Ihre anbiedernden Kollegen die Telko auf Englisch abhalten möchten?

Sie haben einen Wunsch, ausnahmsweise mal keine Beschwerde, sondern eher so etwas wie eine telefonische Bestellung wie zum Beispiel bei einem kleinen Theater in einer kleinen Stadt, von dessen Festival sie gehört haben und für welches Sie dann Karten zurücklegen lassen möchten?

Dann lesen Sie weiter! Hier kommen die 13 ultimativen Tipps, wie Sie alle anderen Beteiligten dieses Telefonats definitiv zur Weißglut oder sogar in die Verzweiflung treiben können:

  1. Beginnen Sie, sobald der Teilnehmer am Apparat ist, damit, Ihre alte Standuhr aufzuziehen oder rufen Sie an, wenn die Uhr sowieso diesen tollen alten Westminster-Gong abspielt. So ein Genuss  muss geteilt werden.
  2. Klappern Sie während des Telefonats mit Geschirr, lassen Sie den Kugelschreiber auf dem Schreibtisch springen – vor allem, wenn Sie mit einem Mobilteil oder einem Konferenz-Telefon im Freisprechen-Modus telefonieren.
  3. Spielen Sie, ganz gleich ob bei der dienstlichen Telefonkonferenz vom Home-Office aus oder beim Anruf im Theaterbüro, unbedingt mit ihrem Kind, so vorhanden, in der Wohnung Fußball oder lassen Sie einen Ball aufdotzen. Alternativ dazu können Sie (falls kinderlos oder ohne Ball) die Spülmaschine ausräumen.
  4. Begeben Sie sich vor der Telefonkonferenz oder ihrem Call-Center-Telefonat unbedingt in ein Wirtshaus, je größer desto besser. Dafür sind auch die Gemeinschaftsbereiche eines Coworking-Spaces ideal geeignet. Die Welt hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie sozial Sie sind.
  5. Falls ein Gesprächspartner zur Bestätigung die gesagten Angaben „JA! GENAU!“ oder die erforderlichen „JA! GENAU!“ Bestellinformationen zur Prüfung „JA! GENAU!“ vorliest, antworten Sie noch vor „JA! GENAU!“ dem Ende des „JA! GENAU!“ Wortes stets mit einem „JA! GENAU!“ oder unterbrechen Sie den „JA! GENAU!“ Gesprächspartner bei jeder Silbe (das erfordert schon etwas Einsatz Ihrerseits!) mit einem „hm-mh“, „hm-mh“, „hm-mh“.
  6. Grundsätzlich empfiehlt es sich, alles was die Person am anderen Ende sagt wortwörtlich zu wiederholen, möglichst noch während diese Person spricht. So entsteht ein schöner Kanon, der die Gesprächspartner garantiert aus dem Konzept bringt. Lassen Sie sich von Hinweisen wie „Ich trage noch einmal vor“ oder „Ich fasse zusammen“ nicht davon abbringen. Wenn es schon kein Echo auf dem Hörer der Call-Center-Agenten gibt, liefern Sie es eben selbst.
  7. Sie arbeiten vom Home-Office aus? Das ist kein Grund, auch von dort aus an der Telko teilzunehmen. Gehen Sie hinaus ins Grüne oder besser noch mit den Gören auf den Spielplatz. Das lohnt vor allem, wenn Sie in der Innenstadt unterwegs sind. So erleben auch die Menschen, mit denen Sie telefonieren, wie oft der Krankenwagen oder die Polizei bei Ihnen entlang fahren und wie schön die Kinder spielen.
  8. Stellen Sie bei Freisprechen-Funktionen Mikrophon und Lautsprecher auf die höchste Stufe. Einfacher können Sie kein Echo für den Sprechenden erreichen. Mit etwas Glück gelingt Ihnen eine fiese Rückkopplung.
  9. Falls das Gespräch aus irgendeinem Grund einem festen Gesprächsleitfaden folgt, der beispielsweise durch das Befüllen einer Bildschirmmaske vorgegeben ist, sprechen Sie vor allem dann, wenn Sie den Verlauf kennen, besonders schnell, aber keinesfalls in der Reihenfolge, in der ein Call-Center-Agent seine Maske ausfüllen muss. Schließlich ist es nicht Ihr Problem, dass die Eingabemaske nicht Ihrer Denkweise entspricht. Erweitern Sie Fragen immer mit humoristischen Einlagen: beispielsweise beantworten Sie die Frage nach der Anschrift immer zunächst mit „Na hier“ und auf die Rückfrage wo „hier“ sei mit „Na wo wohl, zu Hause bei mir“.
  10. Kennen Sie die Maske nicht und führt Sie der Call-Center-Agent durch das Gespräch, so antworten Sie mit sehr großen Pausen und besonders langsam. Sie sind tiefenentspannt. Sie möchten auch den Call-Center-Agenten von Ihrem entspannten Wesen überzeugen und für einen relaxteren Umgang mit Rauschmitteln gewinnen. Das gilt auch für eine dienstliche Telefonkonferenz. Merke: Wenn jemand schnell spricht, heißt das noch lange nicht, dass dieser Mensch auch schnell denkt. Sie stehen zu Ihrem entspannten Naturell!
  11. Sollten Sie in der Warteschleife eines Call-Centers etwas länger gewartet haben, konfrontieren Sie den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin mit dem Vorwurf einer hanebüchenen Wartezeit. Behaupten Sie, Sie hätten 28 Minuten gewartet, und beharren Sie darauf, auch wenn der Call-Center-Agent an seinem Arbeitsplatz immer die Wartezeit und die Anzahl der Wartenden sieht und es besser weiß. Im Falle einer langen Wartezeit nötigen Sie dem Mitarbeiter eine besonders sorgfältige Arbeitsweise ab, indem Sie sich jede Eingabe bestätigen lassen. Am besten beschweren Sie sich jetzt noch einmal wegen der langen Wartezeit vorhin. Bei einzelnen Angaben lassen Sie sich unbedingt begründen, warum diese erforderlich ist. Weisen Sie immer darauf hin, dass „diese Info aber noch NIE(!) abgefragt worden ist“. Beschweren Sie sich dann erneut über die lange Zeiten in der Warteschleife.
  12. Wie Sie es anstellen, ist egal, aber schnaufen Sie oder atmen Sie sehr gut hörbar in Ihr Endgerät. Am besten Sie klemmen den Telefonhörer oder das Smartphone dazu unters Kinn oder telefonieren Sie mit einem Headseat, dessen Mikro viel zu dicht am Mund oder der Nase positioniert ist. Diese Methode zum Irremachen des Call-Center-Agenten erfordert etwas Übung, wenn Sie sich aber einmal in Ihrem Leben ordentlich anstrengen, haben Sie den Dreh’ mit dem richtigen Schnauferl bald heraus.
  13. Sollten die Kollegen in der Telko oder der Call-Center-Mitarbeiter immer noch freundlich sein, fügen Sie ein paar unverschämte Forderungen in Ihr Gespräch ein, denn schließlich sind Sie der Kunde.

Sie werden übrigens staunen: Die wenigsten Call-Center-Agenten ärgern sich über den Anruf eines stark stotternden Menschen. Das ist eine Erkrankung, für die jeder vernunftbegabte Mensch ein tiefes Verständnis hat; und gleiches gilt für ältere Menschen oder z.B. Spastiker, die vor jedem Wort lange und langsam Luft holen müssen.

[Nachtrag]

Noch eine Anekdote zum Trost. Eines Tages bestellte ein Mann im Grunewald ein Taxi für die Fahrt in die Philharmonie. Schnell hatte ich alle Daten für den Auftrag beisammen und fragte noch, was denn gegeben werde und erhielt die Antwort: Beethoven, Berlioz und von Schostakowitsch die Siebente. Noch zwei Sätze dazu und der Kunde bedankte sich, weil er sich nun sogar schon bei der Taxibestellung auf den kulturvollen Abend hätte einstimmen können.

Kurz danach rief wieder ein Kunde, diesmal aus Frohnau, an und bellte ins Telefon, das er ein Taxi vorbestellen wolle. Auch die Angaben, die erfasst werden müssen, damit der Droschker weiß, wo der Fahrgast abgeholt werden möchte, wurden widerwillig ins Telefon gebellt. Gerade so, als spräche er mit einer Kartoffel. Da wir immer nach dem Ziel fragen sollten, kam auch hier ein grimmiges "Philharmonie!!".

Da hatte ich ihn! Ich bestätigte den Auftrag mit den freundlichen Worten: "Vielen Dank für Ihren Auftrag und gute Unterhaltung heute Abend. Mit dem Beethoven haben Sie ja ein schönes Stück alte Wiener Schule, der Berlioz wird sicherlich etwas eklektizistisch, aber der gleicht den depressiven Schostakowitsch wieder aus, und zum Glück ist es die Siebente und nicht die Leningrader." – – Einen Moment lang, dachte ich der Kunde sei weg, aber nein. Plötzlich bellte er nicht mehr, sondern er sagte mit einer völlig anderen, sanften Stimme: "Oh, da haben Sie recht. Schostakowitsch kann einen schon ganz schön runterziehen. Vielen Dank nochmal, dass Sie mir nachher das Taxi schicken."

Er hatte verstanden, dass der Mensch in dem Call-Center (offensichtlich) gar kein Idiot ist, dem man nur Befehle hinbellt. Deshalb: Seid freundlich zu den Call-Center-Leuten, auch wenn's mal länger dauert.

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