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31. MÄRZ 2010

Neue Spezies auf dem Vormarsch

Gibt es nach Digital Natives und Digital Immigrants eine dritte Spezies des Internet-Zeitalters?

Der Mensch des Internet-Zeitalters wird gemeinhin in zwei Kategorien eingeordnet: Digital Natives und Digital Immigrants. Demnächst werden die fundamentalen Beiträge des amerikanischen Wissenschaftlers Marc Prensky zu den Digital Natives und Digital Immigrants - inzwischen Klassiker - zehn Jahre alt sein, und die bisherige Entwicklung gibt ihm Recht. So, wie Wissen im Internet zusammengetragen wird, aggregiert wird, verteilt wird, macht das den Einzelnen vielleicht nicht unbedingt klüger, aber die Menschheit als Ganzes ein Stückchen weiser.

Den Digital Natives ist die Benutzung des Internets schon in die Wiege gelegt. Sie haben von Geburt an eine Steuernummer und werden digital verwaltet. Die Digital Natives können ohne Internet kaum leben. Wenn sie offline eine Information bekommen, schauen sie zuerst bei SPON oder Wikipedia nach, ob das stimmen darf.

Die Digital Immigrants erkämpfen sich mühsam jede technische Neuerung. Sie gehen virtuos mit dem virtuellen Einkaufswagen um, verschicken Geburtstagseinladungen mit einer schick formatierten E-Mail, gewöhnen sich langsam an Facebook & Co. und haben ein Forum für ihr Lieblingshobby gefunden.

Inzwischen haben sich eine ganze Reihe von Netz-Autoren, Politikern und Marktschreiern des noch neueren Marktes dieser Terminologie angenommen – und bislang anscheinend eine Spezies nicht berücksichtigt: der Digital Emigrant.

Immer wieder trifft man Artgenossen, die vor vielen Jahren alle möglichen PDAs (erinnern Sie sich:  Personal Digital Assistants, die Vorläufer der Smartphones) ausprobiert haben. Sie beherrschten die Schrifterkennung des Apple Newton perfekt. Schon vor 15 Jahren hakten sie im Supermarkt elektronische Einkaufslisten ab. Die Schallplattensammlung verwalteten sie mit dBASE IV. Diese Artgenossen haben E-Mails ausgetauscht, als das Internet noch ARPAnet oder DECnet hieß, und Netzwerkstecker nicht einfach Plug-and-Play waren, sondern das Netzwerk zum Absturz brachten.

Diese Artgenossen sind dabei, sich dem Digital Lifestyle zu entziehen, verabscheuen Yuppies mit Netbooks und Kaffee-in-der-Schnabeltasse, kaufen Bücher im Buchladen, bezahlen mit Bargeld oder tragen einen Überweisungsschein zur Bank. Ihr Kalender ist nicht elektronisch und schon gar nicht online. Sie waren seit der Pflicht zur erkennungsdienstlichen Behandlung nicht mehr in den USA, obwohl Bush jetzt nicht mehr regiert. Sie planen ihren Urlaub bei einem Reisebüro und erkunden das Land, ohne vorher „alles über Land und Leute“ im Internet gelesen zu haben.

Das sind die Digital Emigrants, die sich langsam, aber mit wachsendem Erfolg, aus der Internetisierung und Youtubeisierung unserer Welt herausnehmen. Dabei sind die Digital Emigrants noch nicht einmal technikfeindlich, wie man meinen könnte. Ganz im Gegenteil. Sie haben eine Kaffeemaschine und einen Waschvollautomaten der neuesten Generation. Sie haben ein Mobiltelefon und sehen via DVBT fern. Ihr Auto hat ESP und ABS und ADR. Sie könnten mit ihrem Computer sogar im Web surfen – und manchmal tun sie’s auch.

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