schließen
Sie sind hier:

30. APRIL 2010

Wenn Werber irren

Das erste, was ein Volontär bei einer Zeitung früher lernen musste, waren nicht die Mittagsgetränke der Kollegen Redakteure (Rotwein, Weißwein, Weißbier, Schorle, Pils), sondern wo bei einer Schreibmaschine vorn und hinten ist. Das hat sich natürlich im Zeitalter der Computer geändert. Da ist jetzt ja alles elektronisch und man braucht nicht mehr zu lernen, wie herum eine Schreibmaschine aufgestellt wird.

Nicht nur Redaktionen arbeiten mit Praktikanten und Volontären, auch Werbeagenturen setzen auf diese preiswerten Ressourcen. Originell, modern und witzig haben die kreativen Praktikanten und Volontäre bei Leo Burnett, Frankfurt, den Werbespot für den Fiat 500 C „Italian Soul“ umgesetzt.

(Das Video wurde bei YouTube als „privat“ gekennzeichnet und ist nur nach Anmeldung abrufbar)

So weit, so gut. Wäre da nicht bei 0:21 dieser Fassung ein eklatanter Fehler. Die nett gefilmten Fingerchen simulieren ja – unterstrichen von der „Dirty-Typewriter“-Schriftart – eine Schreibmaschine. Da der Text nach „Dein Fiat 500“ auf einer neuen Zeile kommen soll, muss der Wagen der Schreibmaschine zurück auf die Startposition. Das geht natürlich auf einer imaginären Schreibmaschine genauso wie auf einer realen: Man schubst einfach den imaginären Wagen mit dem imäginären Rücklaufhebel. Genau wie einer richtigen Schreibmaschine. Doch halt. Wenn man den Wagen mit der rechten Hand nach links schiebt, kommt man doch, abgesehen vom erforderlichen Lösen der Sperre, ans Zeilenende, nicht an den Anfang?

Das lässt einen vermuten, dass die Werber eher zur Generation iPod gehören, denn mit einer Schreibmaschine sind sie anscheinend nie eingehender in Kontakt gekommen. Was auch nicht weiter verwunderlich ist. Ein Blick hinter die Kulissen deutscher Kreativ-Agenturen verrät: Kaum ein Konzept wird gründlich durchdacht. Vordergründige Effekte und Unsinn bestimmen die Sujets. So unterstreicht der Web-Surfer Andy bei 0:22 die Erwähnung des Schrägstrichs („Sla-a-ash“) in seiner Web-Adresse mit der Surfer-Geste Shaka – sehr cool.

Das sind keine absichtlich eingebauten Störer, sondern Fehler im Detail. Der Qualitätsverfall, vor allem bei den Details, ist eine logische Konsequenz und hausgemacht, denn gerade an teuren Kreativ-Ressourcen wird in vielen Agenturen gespart. Der Praktikant „macht erstmal etwas“, damit „der Kunde ’was in der Hand hat“. Letzterer denkt aber, dies sei das Ergebnis tage- und nächtelangen Kopfzerbrechens eines ganzen Teams erfahrener Kreativer – und bezahlt zähneknirschend die Kompromisslösung.

zum Archiv   •  weiter