schließen
Sie sind hier:

Hügeliche Landschaft in Schottland

Nach einer Unterhaltung mit einer französischen Supercomputingjournalistenkollegin habe ich einen schon betagten Reisebericht in meinem Archiv gesucht und gefunden. Hier also die 2011er-Fassung der 2006 überarbeiteten Geschichte vom Oktober 1997.

25. DEZEMBER 2011

Schottlandreise (1997)

Schottland, die Hebriden, der Whisky-Trail, die Highlands, die Lowlands, die Midlands, Edinburgh, Glasgow, Aberdeen, die Lochs, die Bens. Auf, auf! Nach Kaledonien! Eine meiner wenigen Reisen überhaupt. Schließlich bin ich kein Tourist, sondern ein Stubenhocker. Deshalb sind das hier auch meine völlig unnötigen, den übersteigerten Drang nach Selbstdarstellung befriedigenden Schilderungen meiner Reise nach Schottland, die teils unterwegs und teils zu Hause entstanden.

Comic mit Schaf über die schottischen Jahreszeiten

Anmerkung 2006: Manches hat sich geändert. Zum Beispiel liebe ich englisches Frühstück mittlerweile. Die Bilder (für Modem-Betrieb gescannt und reduziert) und der Text entsprechen jedoch weiterhin der Fassung von 1977. Einige Tippfehler wurden korrigiert.

Die Etappen:

Tag 1: Von München nach Edinburgh
Tag 2: Von Edinburgh in die Western Highlands
Tag 3: Bei den Clans der Highlanders
Tag 4: Rund um Loch Ness
Tag 5: Durch die Highlands in den Norden
Tag 6: Treffpunkt der Meere
Tag 7: Auf nach Aberdeen
Tag 8: Aberdeen
Tag 9: Durch das Dee-Tal nach Edinburgh
Tag 10: In Edinburgh
Tag 11: Stirling, Loch Lomond und Glasgow
Tag 12: Von Edinburgh nach München

Also, schnell noch die Wohnung aufgeräumt, weil doch die Eltern Quartier bei mir nehmen wollen. Pausenlos die Wohnungsgebrauchsanweisung für die Eltern verlängert. Und dann, 12.30 Uhr los zur S-Bahn.

Tag 1

Über die Gleise, weil's am kürzesten ist. Aber dann den ganzen Bahnsteig lang, wegen der Fahrkarte. An der S-Bahn habe ich meine Nachbarin, die Andrea getroffen, die zur Arbeit fuhr. Auf dem Flughafen zollfrei eingekauft, aber nur Zigaretten und einen halben Liter billigen Scotch … dann eine Überraschung. Gerade als ich beim Bezahlen im Duty Free war, wurde ich aufgerufen, an den Gate zu kommen. Putzig, dachte ich, vielleicht stimmt mit meinem Gepäck was nicht. Aber denkste: "Herr Landrock, wir haben Ihren Platz geändert", sagte der gute Mann, und tauschte meinen Boarding Pass um. "Club British Airways", also Business Class, ganz vorne, ganz rechts. Na das ist doch ein schöner Anfang. Ich muß der Andrea unbedingt eine Karte aus Schottland schreiben.

Im übrigen spinnt die Uhr vom Computer. Sie bleibt stehen, sobald der in den Ruhezustand versetzt wird. Auch wenn er am Ladegerät hängt. Und für zweimal an- und ausschalten hat er fast vierzig Prozent Akkuladung verbraten.

Aber weiter zur Reise: Ich werde wohl den neu erworbenen Steckdosenadapter als erstes Umbauen müssen, weil Schukostecker nicht reinpassen, sondern nur solche Eurostecker. Das ist doof. Der Flug ging über Birmingham. Mit einer guten halben Stunden Aufenthalt. Also eine Zigarette geraucht und ein bißchen fremde Atmosphäre geschnuppert. Von fremder Luft konnte jedoch nicht die Rede sein, weil ich ja in einer Flughafenhalle war.

Erfreulicherweise bekam ich für den Weiterflug den gleichen Platz 3A, auch wenn es nach Edinburgh etwas mehr rumpelte, als über den Kanal. Naja, soweit sogut.

Über Carlisle riß die Wolkendecke ein wenig auf, hatte ich erwähnt, daß das Wetter dasselbe war, wie in München. Also bedeckter Himmel ohne besondere Eigenheiten? Jedenfalls konnte man über Carlisle bis auf den Boden sehen. Aber ich konnte nicht erkennen, ob es die Meeresküste oder ein See war. Die Sonne spiegelte sich ganz enorm. Doch, es war der Atlantik und es ist sonnig. Da fiel mir ein, daß ich noch nie am Atlantik war. Also noch eine Neuheit, die auf dieser Reise zu erwarten wäre.

Sehr lustig war über Birmingham der Linksverkehr zu beobachten. Das löste doch ein gewisses Kribbeln in mir aus, sollte ich doch anderthalb Stunden später selbst in so einem komischen Auto sitzen und auf der falschen Seite fahren.

Der Wetterbericht verheißt übrigens nur Gutes. Es wäre im Norden schöner, meldete der Guardian. noch während ich diese Zeilen schrieb, setzte das Flugzeug zum Sinkflug an, und ich konnte tatsächlich die ersten grünen Hügel der Lowlands sehen.

Dann war ich in Edinburgh gelandet. Not very british. Auf dem Flughafen bekam ich ein Auto, und mit diesem Auto -- das Lenkrad war auf der falschen Seite, und ich versuchte prompt, auf der falschen Seite einzusteigen -- fuhr ich nach Edinburgh. Immer schön auf der linken Seite. Einschließlich Autobahn und Einbahnstraße. Einbahnstraße ist besonders blöd, weil man da ja auch problemlos auf der "richtigen" Seite fahren kann.

Das Hotel hatte ich mit einem Zwischenstop mitten in der Stadt gefunden. Gar nicht weit von der Princess Street. Aber lustig ist es, das Linksfahren. So mußte ich zum Beispiel höllisch aufpassen, um an einer Straße mit getrennten Fahrspuren auf der richtigen Seite zu landen. Aber wie hatte die Dame vom Tourist Office am Flughafen gesagt: "Do it like the cars in front of you." Und gar nicht lange gesucht, hatte ich tatsächlich das erste Hotel gefunden. Natürlich ein recht schäbiges Hotel, aber auch nicht schäbiger als das Hotel Garni in Stuttgart Feuerbach, in dem mich der Hawi zur CAT mehrmals untergebracht hatte.

Selbstverständlich hatte es der Reiseveranstalter nicht geschafft, mir einen Katalog zu schicken. Selbstverständlich war das Hotel eher am Rand der City (aber nicht schlimm, sagen wir mal: Nürnberger Ei). Selbstverständlich gab es einen Wasserkocher im Zimmer und Tee oder Kaffee. Erfreulicherweise schmeckten die beigelegten "Traditional Shortbread" so wie unsere guten alten Sandtaler aus der Backware am Ei. Unglücklicherweise war mein Zimmer direkt hinter einer Bandschutztüre und mir ist zu spät eingefallen, nach "may I see the room first" zu fragen. Naja, an solchen Dingen zeigt sich daran einmal mehr, daß ich kein Tourist bin, und schon gar kein cleverer Tourist.

Nach dem Tee bin ich durch die Stadt gezogen. Die Queensferry Road entlang, auf der Suche nach ein paar netten Pubs. Nun hat Edinburgh mehr als 500 Pubs, da dürfte die Auswahl eher schwer fallen. Grundsätzlich ist zu sagen, daß der Montag generell ein schlechter Tag zum Ausgehen ist. Nach einem kleinen Rundgang durch die Stadt und an den schön angestrahlten Sehenswürdigkeiten vorbei fand ich mich im Living Room wieder, der mit schönen Ledersofas eingerichtet ist. Interessantes Details war, daß die Kneipe zwei Eingänge hat. Die Musik war - sagen wir mal - dezenter Tekkno-Funk oder sowas. Etwa acht (!) Biersorten werden ausgeschenkt.

Ein weiterer Bummel brachte mich an der Bank of Scotland vorbei zum Carwash. Sehr ruhig und anscheinend eher eine Teenie-Kneipe. Dafür hat das Carwash in den oberen Raeumen einen Pool-Tisch und andere Spiele. Anschließend war ich auf dem Heimweg ins Hotel, der mich fast durch die ganze Innenstadt führte, noch in der Rose Street Brewery. Auch dort war wenig los – Montag ist irgendwie kein guter Tag für ein Pub-Outing. Aber das selbstgebraute Bier in der Rose Street schmeckte sehr gut. Frisch und ungefähr wie das unfiltrierte Paulaner an der Kapuzinerstraße.

Auf dem Rückweg ins Hotel war mir eine interessante Sache aufgefallen: Die Dean Bridge über den Water of Leigh hatte irgendwann im 1800 Jahrhundert einen Erbauer, und sicherlich hat der Architekt eine Menge Arbeit damit gehabt. Aber wenn man über die Brücke drübergeht, kriegt man von der Arbeit und der Mühe und auch von der Architektur überhaupt nichts mit. Das ist fast philosophisch: Auf einer Brücke sieht man nichts von deren Architektur - bei einem abgeschlossenen Projekt, weiß keiner mehr, wieviel Arbeit darin steckt. Die Brücke ist sozusagen ein Sinnbild für die Redensart "Undank ist der Welt Lohn". Andererseits wird die Funktion der Brücke, zwei Ufer zu verbinden, umso bewußter, je größer die Brücke ist.

Tag 2

Am morgen hatte ich dann erstmal ein Hotel auszusuchen. Wobei zum Learmonth Hotel hinzuzufügen ist, daß es vielleicht doch nicht so schäbig ist. Es sind eben verschiedenen Dinge, die nicht ganz tipp topp sind. Ich bin vielleicht einfach ein bißchen zu anspruchsvoll. Das Frühstück, das englische, war ziemlich anstrengend. Solche Sausages and Ham and Spam and Spam - sehr gewöhnungsbedürftig. Sicherlich ist ein handfeste Frühstück sinnvoll, wenn man nach dem Aufstehen und Ankleiden zuerst einmal das Pferd bewegt. Nach einem kräftigen Ausritt hat man möglicherweise auch einen kräftigen Hunger. Doch so auf nüchtern Magen…

Nun denn, ein neues Hotel ausgesucht: Schließlich bin ich beim Cluanie Inn near Glen Moriston gelandet. Das ist mitten in den Highlands. Eigentlich dort, wo ich hinwollte. Nach dem Frühstück und dem Auschecken bestätigten sich die Gedanken über Brücken noch einmal an der Forth Bridge, der großen, fast einen Kilometer langen Brücke über den Firth of Forth.

Auf dem Weg in die Highlands kam ich an der Dalwhinnie Distillery, James Buchanan & Co. Ltd Licensed Distillers, vorbei und beschloß, dieser Firma einen Besuch abzustatten: Sehr schön anzusehen war das Anwesen. Umzäunt von einer weißen, kleinen Mauer liegt es am Ortsausgang von Dalwhinnie. Als ich auf dem Parkplatz, der übrigens einer Nobelfirma gleichkommt, die Tür aufmachte, schlug mir ein Duft entgegen, der dem Gestank, der einem von Münchens Brauereien angeboten wird, eine echte Alternative gibt. Leicht süßlich, malzig, würde ich die whiskygeschwängerte Luft beschreiben.

Coole Sache so ein Distillery-Parkplatz. Ich glaube, nach ein paar Minuten ist man ziemlich betrunken. Da ich bis zur Führung rund eine halbe Stunde zu warten hatte, setzte ich mich in Auto, um am Bericht weiterzuschreiben.

Die Tour war sehr knapp - und was zu beachten ist: No production on Tuesday, Friday and Saturday. Das bedeutete in bezug auf Dalwhinnie, daß die Tour vielleicht 20 Minuten dauerte. Der Prozeß des Whisky-Machens entspricht weitgehend dem des Brauens, wobei das Bier keinen Hopfen enthält, dafür aber in mehreren Durchgängen destilliert wird.

Am Merchandising dieser Distillery beteiligte ich mich nicht, hatte ich doch noch eine kleine Flasche Teacher's aus dem Duty Free Shop im Gepäck. Außerdem hatte ich noch eine ganze Strecke zu fahren.

Das Fahren auf den Straßen scheint übrigens einen festen Bezug zu den Straßennummern zu haben: A-Straßen sind besser ausgebaut als B-Straßen, und je mehr Ziffern eine Straßennummer hat, desto schmaler, kurvenreicher und steiler ist eine Straße. Der Autoreisende möge sich deshalb vor B9001-Straßen hüten.

Die Straßen zum Loch Cluanie hin wurden jedenfalls immer schmaler, obwohl es immer noch A-Straßen waren. Die Route führte mich also die A9 entlang und kurz hinter Dalwhinnie über Catlodge, Spean Bridge und Invergarry zum Loch Cluanie. Während der gesamten Fahrt erschien mir die Landschaft immer schöner. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit, also etwa nach jeder 3/4 Meile, bot es sich an, den Wagen einfach abzuschalten und die Gegend zu genießen. In Invergarry erkundigte ich mich bei einer solchen Gelegenheit in einem Post Office nach der Tankstelle, hatte ich doch im Reisführer gelesen, daß diese in den Highlands rar werden.

Der Liter Super Bleifrei kostete in Invergarry, und das war die einzige Tankstelle im Umkreis von 15 Meilen, 74,9 Pence, was bei einem Kurs von 2,91 DM pro Pfund einem Preis von ca. 2,18 DM entspricht. Zur Beruhigung sei aber erwähnt, daß es auch günstigere Tankstellen (72,9 p/litre und sogar 69,9 p/litre) gibt. In den großen Städten wurde Benzin sogar zu Preisen von 62,9 p/litre verkauft.

Aber zurück zur Fahrt zum Loch Cluanie. Nun liegen die Lochs nicht sehr hoch über dem Meeresspiegel. Das führt wiederum dazu, daß die drumherum angebrachten Berge, oft sind sie nur 300, 400 Meter hoch, umso größer wirken. Aber sie haben auch richtige Berge von 700 oder gar 1000 Metern Höhe. Und diese Berge müssen es in sich haben, denn allerortens waren Hinweise zu finden, der aufmerksame Wanderer möge seine Route irgendwo vermelden und ausreichend Nahrung sowie ordentliche Wanderkleidung mit sich nehmen.

Die Fahrt von Invergarry zum Loch Cluanie gestaltete sich besonders schön. Ungefähr zehn Meilen hinter Invergarry, direkt an der A87, hat man den schönsten (na gut, einen der vielen schönsten) Ausblicke über diese phantastische Landschaft, die die Vulkane in der Gegend und die Eiszeit jemals geschaffen haben.

blog_20111225_4

Nach ein paar Meilen durch die westliche Verlängerung des Glen Moriston, das Glen Shiel, näherte ich mich einem kleineren Gehöft, das sich bei weiterer Fahrt als das von mir erkorene Landgasthof entpuppte. Die Gegend hatte sich mittlerweile nur insofern verändert, als daß jeden Moment der Highlander mit seinen Mannen über einen Hügel gestürmt kommen konnte. Wild, romantisch, farbenfroh.

Auf dem Hof des Gasthauses harrte einer der Mitarbeiter, Donald, rauchend der Dinge, die der Tag da bringen würde. Die Begrüßung ergänzte er unmittelbar durch den obligatorischen Kommentar zum Wetter. Schönes Wetter hätte ich ja mitgebracht. Ja, und es solle wohl sogar ein paar Tage halten. Auch nutzte ich das Gespräch, um die Sache mit den endlosen Zäunen entlang aller Straßen und Wege zu klären: Schützen die Zäune das Vieh vor den Menschen oder umgekehrt? Wohl beides, aber man könne jederzeit an den Toren auf die Felder laufen. Schilder warnten gegebenenfalls vor Jagd-zeiten.

Das Gasthaus bestand aus einem Haupthaus mit zwei l-förmigen Anbauten, so daß sich ein fast geschlossener quadaratischer Innenhof ergab. Während das Haupthaus noch ein oberes Stockwerk hatte, waren die Anbauten ebenerdig und einstöckig. Donald zeigte mir mein Zimmer mit Blick das Glen entlang.

blog_20111225_5Aufgrund der hohen Berge, das Hotel selbst lag auf etwa 250 Metern ü.N., gab es kein Fernsehen, aber eine kleine Ansammlung von Videos machte das wieder wett. Das Mobiltelefon hatte ja schon bei Invergarry den Kontakt zur Außenwelt verloren.

blog_20111225_6

(Ähm, die weißen Flächen sind praktisch tot. Ganz helles Blau zeigt die Regionen mit guter Abdeckung für den Handy-Einsatz. In den beiden Regionen mit den dunkleren Blautönen wird der Einsatz eines Autotelefons empfohlen. Die Karte habe ich zum Behufe des schonenden Umgangs mit der Bandbreite in so geringer Qualität eingescannt.)

Das Zimmer war sehr nett eingerichtet: Möbel im ländlichen Stil und dezent gemusterte Steppdecken. Die Fenstervorhänge, welche in der idyllischen (im wahrsten Sinne dieses griechischstämmigen Wortes) Gegend völlig unnötig sind, waren gleich gemustert. Das gab dem Zimmer einen gewissen Charme. Das Bad war zwar etwas klein, aber soweit in Ordnung. Auch war es recht sauber (mich stören an Hotels vor allem die oftmals gelb-braunen Spuren von Dichtkitt an den Übergängen der Duschwanne zu den Fließen). Alles war mit dickem, plüschigem Teppich ausgelegt.

Zum Abendbrot gab es Aberdeen Mince with Tatties, sozusagen ein durch den Wolf gedrehtes Steak mit (absichtlich) halbrohen Kartoffelklößen. Recht nahrhaft und auch wohlschmeckend. Dazu trank ich mich durch die diversen Biersorten. Fast alle Pubs, die ich besuchte und so aus dieser, boten mindestens vier oder fünf – oft mehr – verschiedene Sorten Bier vom Faß an. Das ist wenigstens für die vielen brauerei-eigenen Pachtgaststätten in München untypisch.

Häufige Biersorten sind in Schottland McEwan's Lager und MacEwan's Ales (70/- und 80/-), Tennant's Lager, Guinness, Gillespie's, Caledonian Lager und Ale (da gehört auch das India hin), und es gibt eine ganze Menge anderer. Dazu gibt es in fast allen Pubs noch eine Auswahl von rund 10 oder 15 Flaschenbieren. Dabei kostet ein Pint vom Faß zwischen 1,85 und 2,15; die Flaschenbiere (0,3) liegen bei 2,00 oder knapp drunter.

Nach ein paar Bieren und dem Abendbrot zog ich mich auf's Zimmer zurück. Der Pub war aufgrund der Abgelegenheit nur sparsam besucht: ein paar Hotelgäste und irgendwelche Leute aus dem Umland, die aber nicht sehr gesprächig erschienen. Wegen der Nichtverfügbarkeit des Fernsehens (und es war ja auch schon gegen 10.00 als ich den sich leerenden Pub verließ), guckte ich mir noch zwei Folgen von Farty Towels, äh, „Fawlty Towers" und die Schwarzenegger-Komödie „Kommando" an. (Einen meiner Lieblingsfilme, „Being There", entdeckte ich erst am nächsten Abend.)

Tag 3

Mittwoch. Ein neuer Tag brach an, indem er gegen 9.00 Uhr Sommerzeit die Sonne über die Berggipfel schob. Die Kulisse, die die Bergketten bildeten, war zauberhaft. Die Sonne bemühte sich, ein rechtes Lichtspektakel mit den Wolken zu veranstalten, um sich dann, vollends über die Gipfel gewuchtet, blendend auf den (geschickt gewählten) Frühstückstisch zu ergießen. Ein Ereignis, bei dem am nächsten Tag andere Gäste ihre Tische verließen, um es am Fenster zu beobachten.

Nach Fertigstellung der Morgentoilette mit Studium von Karte, Reiseführer und Empfehlungen des Tourist Boards beschloß ich, einen Abstecher auf die Insel Skye zu machen. Geplante Ziele waren entweder das Clan-Zentrum der MacDonalds oder Dunvegan Castle.

Die Straße führte zwölf Meilen westwärts nach Shiel Bridge. Shiel Bridge bietet sich dem Besucher als eine Tankstelle mit angeschlossenem Kiosk, fährt man Richtung Loch Alsh weiter, so kommen noch ein paar Häuser, ein Hotel und eine Tourist Information. In Shiel Bridge wies kurz hinter der Tankstelle ein kleines Schild in Richtung Ferry". Unmittelbar nach dem Übergang zur einspurigen Strecke ging es für wenige Meilen richtig steil bergan. Kurz vor der Bergkuppe war wieder eine Gelegenheit zum Halte und zum Ausblick über den Loch Duich, auf den gerade die Sonne zu scheinen begann, da sie den Weg um die rund tausend Meter hohen Five Sisters herum geschafft hatte. Der Rastplatz war an der Stelle rund 400 Meter hoch und der Loch Duich, die Verlängerung des Loch Alsh zum Festland hin, befand sich de-facto auf Meeresspiegelniveau. Das führte zu einem herrlichen Panorama. Unten der See mit tollen Lichtreflexen, ringsherum Berge in allen denkbaren Farben und hinter einem eine Bergkuppe - das alles umsäumt von strahlend blauem Himmel. Das Thermometer des Autos zeigte 12,5 Grad Celsius und es war Ende Oktober.

Auf dem Rastplatz traf ich auch einen Kanadier, der auf den Outer Hebrides sein Elternhaus hatte. Er rollte gerade seinen Schlafsack zusammen. Und wir sprachen über's Wetter. Während der Reisende nach Osten weiterzog, setzte ich den Anstieg sowie die Abfahrt nach Gleneig fort. Es ging mit 16 oder 18 Prozent Gefälle wieder bergab. Nur wenig über Meeresspiegelhöhe führte die Straße zur Fähre, entlang einiger kleiner Bauernhöfe und Dörfer, malerisch in das grüne Glen More eingebettet. An der Fähre war ich für eine ganze Weile einzige Passagier, zeigte mich aber geduldig, da die beiden Fährmänner sowieso nicht vorhatten, abzulegen, denn sie montierten den Motor eines Saabs.

Die kurze Überfahrt mit der kleinen, nur sechs Autos fassenden Fähre nach Kylerhea kostete als Rückfahrkarte bzw. Rückfährkarte 9,- und unmittelbar ab dem Steg ging es wieder steil bergan auf knapp 300 Meter ü.N., wo sich wiederum ein Ausblick bot, der jeder Beschreibung unfähig ist. Die Hügel dieser Gegend waren braun und moosgrün gefärbt und die Sonne spielte mit dem milden Wind irgendwelche Wetterspiele. Ich war auf der Isle of Skye. Die Isle of Skye bot fast an jeder Stelle tolle Blicke auf Berge, um nicht zu sagen, die Isle of Skye ist ein einziger großer Berg. Und in Richtung Festland liegen immer wieder große Kiesel im Wasser.

Da ich bis dorthin einschließlich der Überfahrt schon fast zwei Stunden vertan hatte, beschloß ich, Dunvegan Castle, Sitz der MacLeods wegzulassen. Die Fahrt von fast 50 Meilen hätte gut und gerne zwei Stunden gebraucht. Da ich aber gegen Fünf schon wieder an der Fähre sein mußte, wäre die Zeit knap geworden. Hier zeigten sich die ersten Mängel einer Reise ins Blaue. Denn über den Kyle of Lochalsh führt eine neue Brücke mit 6,50 (oder so) Brückenzoll für eine Richtung. Diese Brücke ist natürlich Tag und Nacht in Betrieb - anders die Fähre, die bei Einbruch der Dämmerung schließt und im Winter nur bei günstigen Bedingungen und nach Bedarf fährt. (Wobei ich befürchte, ohne Übles vorzuwerfen, daß die Saab-montierenden Fährmänner recht freizügig bestimmen, was günstige Bedingungen sind.)

Also vor die Wahl gestellt, setzte ich meinen Weg zum Clan der MacDonalds auf der Landzunge Sleat fort. Und ich tat gut daran, denn auch für die 17 mls. zur Armadale Bay brauchte ich schon ne gute Stunde - zum einen, weil die Straße recht eng und mit einer Baustelle versehen war, und zum andern weil es frevelhaft gewesen wäre, angesichts der Landschaft schneller zu fahren. Armadale Castle oder vielmehr das, was davon übrig ist, bot sich mir am Ende eines recht prächtigen Parks dar. Zwei Meter hohe Fuchsien-Bäume, Rhododendron, Blumen in etlichen noch blühenden Sorten - und es war Ende Oktober - und die milde Luft versetzten mich in herrschaftliche Stimmung. Allerdings war vom Schloß, das bis Anfang des Jahrhunderts noch benutzt worden ist, nicht mehr viel übrig.

Weißes Gebäude, in der Mitte ein rechteckiger Turm mit Zinnen

Das Clan-Zentrum bot neben der Schloßruine auch eine Art Museum über das Schloß und die Ahnenforschungsstelle der MacDonalds. Die Parkanlage ermöglichte mir noch einen kleinen Spaziergang, wobei die vielen verschiedenen Pflanzen aus aller Welt der Sache ein besonderes Flair gaben: da waren Bäume aus Japan, Rhododendron-Büsche aus dem Himalaja und lauter Pflanzen, die nicht nach Schottland gehören.

Der Eintrittskartenverkäufer gab mir bereitwillig Auskunft darüber, daß der Clan der MacDonalds und die Fastfoodrestaurants nichts miteinander zu tun haben. [Anm. 2011: vermutlich beantwortet er die Frage täglich mehrere Dutzend Male.]

Selbstverständlich ging ich auch noch ans Ufer hinab, wenn auch relativ weit weg von der offenen See, konnte ich am Sund von Sleat doch den Atlantik anfassen. Ein verbrackter Atlantik, in der Tat, doch sauber und nur mässig vertangt.

Auf dem Rückweg machte ich noch einen kleinen Abstecher in Richtung des kleinen Leuchtturms auf der kleinen Isle of Ornsay. Dort gibt es einen kleinen Ort mit einem kleinen Landgasthof und einem Tante-Emma-Laden. Unweit des Orts Isleornsay ließ ich dann auch das erste Mal den Taschendrachen steigen, den mir Marcus für meine Schottlandreise geliehen hatte. Es ging nur ein lauer Wind und obwohl der Drachen eigentlich nicht viel Wind benötigt, flog er nur wenige Meter hoch. Es war eben sehr schönes Wetter, wozu eben auch kein Wind gehört.

Der Rückweg verlief dann analog der Hinreise zum Clan-Zentrum, wobei ich dem – in den Sommermonaten sicherlich auch von Badeurlaubern heimgesuchten – Ort Broadford einen Abstecher schenkte und dort auch den ersten Supermarkt meiner Schottlandreise betrat. Auffällig waren eigentlich nur die Regalreihen mit der Aufschrift "Think Scottish - Buy Scottish" und die recht gepfefferten Preise. So waren Wohnungen und Häuser dort oben zwar deutlich billiger als in Deutschland, aber die allgemeinen Lebenshaltungen kosten schienen, wie schon bei den Benzinpreisen bemerkt, nicht viel günstiger zu sein.

Ich machte mich also auf den Weg zurück ins Hotel, d.h. erstmal zur Fähre, obwohl es erst gegen Vier Uhr nachmittags war. Und ich tat gut daran, denn mein Wägelchen war das Fünfte, und nur sechs Autos paßten auf die Fähre. Die kurze Wartezeit verbrachte ich mit dem Schreiben der ersten Postkarten. Auch der Rückweg ins Hotel verlief gleichförmig und ruhig, das heißt, jene Ruhe ausstrahlend, die einen Urlaub ausmacht.

In Shiel Bridge suchte ich, nachdem ich bis zu der Stelle gefahren war, die ich am Morgen vom gegenüberliegenden Berg gesehen hatte, noch das Touristenbüro auf, um einige Prospekte der Gegend einzusammeln und erkundigte mich nach den Möglichkeiten für Wanderungen und Spaziergänge. Mein Kommentar, daß ich die exzellente touristische Erschließung der gegend sehr positiv werte, wurde von dem netten Mitarbeiter mit dem völlig berechtigten Einwand erwidert, daß der Tourismus schließlich der einzige Wirtschaftszweig sei, der übrig wäre, nachdem Fischerei und Landwirtschaft eingegangen sind.

Ich fuhr dann recht zügig zurück ins Hotel und schrieb noch etliche Postkarten. Zum Abendbrot verpaßte ich mir eine Portion Haggis: die schottische Variante des Pfälzer Saumagens und eben deshalb Schafsmagen. Es schmeckte recht lecker, vielleicht um eine Idee zu reichlich mit Pfeffer gewürzt. Ungefähr so wie die Leberwürstchen auf der Schlachteplatte in einer zünftigen Gaststätte.

Nach einigen Bierchen und dem ausführlichen Studium der Tageszeitung zog ich mich wie am Abend zuvor auf's Zimmer zurück. Dort hielt mich aber der abnehmende Halbmond von jeglicher konzentrierter Tätigkeit ab, denn er schien mit ungewöhnlicher Klarheit ins Zimmer und gab den Hügeln und Bergen des Glen Cluanie einen schön gespenstigen Anstrich.

Selbstverständlich hätte es jetzt nicht verwundert, wenn irgendwo von den Hügeln die Wölfe und Werwölfe den Mond angeheult hätten - aber es war ja nur Halbmond. Trotzdem schön. Gute Nacht.

Tag 4

Mit einem prachtvollen Sonnenaufgang über den Bergen rund um den Glen begrüßte mich der nächste Tag:

Sonnenaufgang in hügeliger Landschaft, Gegenlicht

Der Morgen verlief ähnlich wie der Morgen zuvor, also auch diesmal liefen die Leute ans Fenster, als sich die Sonne über die Berge hob. Ich verzichtete bei diesem Frühstück auf den Black Pudding und die Pork Sausages – zwei Dinge, die definitiv nicht für meinen Magen gemacht sind.

Für diesen Tag beschloß ich, den Loch Ness eine Besichtigung zu unterziehen. Gute Idee! Es war herrlichstes Herbstwetter und im Glen Moriston bot sich mir eine Landschaft, die den Begriff „Indian Summer" mehr als verdiente. Mitten in Betrachtung der Landschaft - es war an diesem Donnerstag übrigens schon recht kühl, so um die 3 Grad dort in den Glens, wo die Sonne noch nicht hinreichte - vernahmen meine Ohren ein leichtes Pfeifen oder Sirren in der Luft. Bruchteile eines Augenblicks später donnerten zwei schwarze Jagdflugzeuge über mich hinweg und verschwanden so schnell wie sie erschienen waren über den Gipfeln im Westen. Da ich Details der Flugzeuge erkennen konnte, schätzte ich deren Flughöhe auf nicht viel mehr als ein- vielleicht zweihundert Meter. Auch flogen sie deutlich unterhalb der Kammlinien um diesen Glen, die bei ungefähr 700 Metern ü.NN liegen. Nicht schlecht, der Schreck.

blog_20111225_09

Es ging noch ein paar Meilen durch den wunderschönen Mischwald des Glen Moriston bis ich bei Invermoriston an den Loch Ness stieß. Der schmale, mehr als 30 Meilen lange See begegnete mir mit seinem fast unbewegtem Wasser zwischen höheren Bergen auf der Nacht-Seite und nicht ganz so hohen Bergen und Hügeln auf der Mittags-Seite. Die gut ausgebaute Straße am nordwestlichen Ufer bot etliche Halteplätze, oft nur wenige Schritte von Wasser entfernt. An einem der leeren Halteplätze, und diese waren in der Überzahl, hielt ich auch an. Schließlich wollte ich meinem Spleen folgend auch dieses Gewässer anfassen.

Als ich meine Schritte gen Ufer lenkte, donnerten wieder zwei Jagdflieger über den Loch Ness und mich hinweg. Das führte dazu, daß ich (dem Hans-guck-in-die-Luft gleich) aufwärts schauend auf dem etwas feuchten Erdboden den Halt verlor. Um nun nicht mit beiden Füßen im Wasser zu landen, griff ich, den Knipsograf in der linken, mit der rechten Hand, was auch immer zu greifen war, um Halt zu finden. Dummerweise war das eine Brombeerhecke, was dazu führte, daß mich die Hecke an der Hand kratzte und eine schöne lange Rute samt Dorn über meine Nasenspitze kratzte. Obwohl das in keiner Weise schmerzte oder juckte, lief das Blut ziemlich heftig - so wie bei einem saftigen Nasenbluten, aber eben von der Außenseite. Daraus habe ich natürlich vor allem erkannt, daß ich keinesfalls für die Wildnis geschaffen bin.

Nachdem ich dann mit einigen Tempo-Tüchern und schließlich mit einem Pflaster (merke: Pflaster nicht im Koffer im Hotel verstauen) die Nase trocken gelegt hatte, setzte ich meine Reise nach Inverness und rund um den Loch Ness fort. Der See an sich war gar nicht so interessant. Viel eindrucksvoller war die ständig wechselnde Uferlandschaft - von Felsen- Küste" bis Mischwald war alles dabei.

Sehr schön gelegen war Urquhart Castle, direkt auf ein paar felsigen Uferbrocken. Ungefähr zwei Meilen vor der Schloßruine und noch weit hinter das Kulturdenkmal reichte eine Halteverbotszone, die einen, wollte man denn stoppen, auf den Parkplatz zwang. Ich konnte mir gut vorstellen, daß in der Hochsaison Gebühren erhoben werden. Ende Oktober war das Parken allerdings frei. Dafür verlangte das schottische Tourismusbüro fast sechs Pfund für einen Rundgang und weitere 3,80 für die Broschüre zur Burgruine.

Das heißt, ich nutzte den Aufenthalt, um mir kurz die Beine zu vertreten und im Reiseführer die Details zu Urquhart zu lesen. Dann ging es rechts stracks weiter nach Inverness - ein paar Meilen nur, denn in Drumnadrochit lockte der nächste Halt. In Drumnadrochit befand sich neben einem Souvenir-Shop, einem Nessie-Merchandising-Center, einem Nessie-Restaurant und einem Nessie-Klo auch das offizielle Nessie-Museum für weitere 3,50 Eintritt. Dort sah ich nach dem VW-Bus aus Berlin bei der Dalwhinnie-Distillerie ein weiteres Auto aus Deutschland.

Doch statt dem Touristen-Nepp zum Opfer zu fallen, was zumindest angesichts der prähistorischen Exponate rund um Nessie im Loch Ness Monster Exhibition Center gar nicht soo leicht fiel, setzte ich meinen Weg nach Inverness fort.

Inverness bot sich mir als für die ansonsten eher schwach befahrene Gegend recht verkehrsreiche Kleinstadt dar. Nach einer kurzen Aneinanderreihung von Vororten, rückte die Burg von Inverness ins Blickfeld. An dieser Stelle haben wohl schon immer Burgen gestanden, die aktuelle Version ist wohl recht jung. Sie wurde in dieser Version wohl erst im 19. Jahrhundert fertiggestellt.

Inverness bietet für die Pauschaltouristen das Himmelreich: eine Fußgängerzone. Dabei fiel mir auf, daß das Militär im Vereinigten Königreich ein sehr viel höheres Ansehen genießt als in Deutschland. So gibt es in allen publikumsreichen Gegenden und so auch in den Fußgängerzonen Recruitement Offices.

Von Inverness zurück zum Cluanie Inn fuhr ich am anderen Ufer des Loch Ness entlang, wo sich viele brauschende Blicke auftaten.

Tag 5

Auf der Strecke von Inverness nach Wick bietet die Landschaft Gelegenheit zum In-die-Ferne-Sehen sondersgleichen. Dabei sind immer mal eine Farm oder eine Ortschaft in die Landschaft eingestreut. Aber vor allem gibt es Weite. An der Küste zur Nordsee steht in einem Wald voller Buchen (und anderer Laubbäume) das Schloß der Sutherlands, Dunrobin Castle, ein Traumschloß mit 189 Zimmern. Leider ist es im Winterhalbjahr geschlossen - eine Entschädigung bietet aber der Schloßpark. Der Park besteht aus dem großen Laubwald entlang der Straße und aus einem recht adretten, kunstvoll angelegten Garten. Durch diesen Garten kann man bis ans Ufer laufen, wenn man rechtzeitig einen Durchschlupf durch die umgebende Mauer findet.

Von Dunrobin Castle über Brora und Helmsdale geht es weiter entlang der Küste. Und die Küstenstraße bietet immer wieder grandiose Blicke über die Nordsee. Hier kann man bei guter Sicht sogar eine Borinsel sehen. Nach Auskunft meines Reiseführers die einzige Off-Shore-Plattform, die man vom Festland aus sehen kann. Auf der Landseite hingegen hat man immer wieder einen freien Blick auf die Bergketten der Highlands bis das Land fast völlig abflacht.

Meine Route A895 führte von Latheron an geradewegs nach Norden. Die Straße streckt sich fast schnurgerade durch die flachen Hügel von Caithness und stößt dann auf die Landstraße nach Thurso. Da ich vor hatte, dort ein paar Tage zu bleiben, ließ ich die Stadt buchstäblich links liegen und fuhr ostwärts weiter. Nun aber entlang des Atlantiks. Bei Mey ist nicht nur ein kleines Schloß, das von der Queen ein, zwei Mal im jahr besucht wird, sondern auch ein kleines Landhotel mit vielleicht fünf Zimmern im Hauptgebäude und nochmal 10 Zimmern in den Seitengebäuden. Auch hier war es kein Problem, ein Zimmer zu kriegen, schließlich war ja die Saison längst vorbei.

Hier oben hatte ich das erste Mal auch etwas schlechteres Wetter, wenn man leichte Bewölkung und hin und wieder ein Strich Nieselregen so nennen kann. Von Mey aus unternahm ich einige kleinere Ausflüge, darunter nach Dunnet Head (eine ziemlich malerische Klippe mit einem weißen Haus drauf - hier hätten Hollywood-Regisseure die beste Kulisse für Dramen, die sich in einsamen Häusern in fast unwirtlicher Gegend am Meer abspielen). Und so ganz nebenbei ist man dort auch am nördlichsten Festlandspunkt Großbritanniens. Die Dunnet Bay hingegen hat einen vielleicht drei Kilometer langen und 50 Meter breiten Sandstrand, an dem sich im Sommer sicherlich die Schotten und die Touristen häufen. Jedenfalls deutete der große Parkplatz auf mehr als die drei Menschen hin, die mir am Strand begegneten.

Tag 6

Die Stadt Thurso hingegen bietet den Charme eines maroden Fischerei-Ortes, allerdings nur für Besucher. Ein Supermarkt in den Nähe des alten Fischereihafens scheint die ganze Gegend zu versorgen und eine Fußgängerzone läßt die Stadt nicht ganz so trist erscheinen. Besonderheit dieser Stadt sind die Flagstones, Steinplatten irgendwo im Format zwischen A1 und A0 und sicherlich auch größer. Diese Steinplatten sind vielleicht zwei, höchstens aber vier Zoll dick, und sie bilden die Eingrenzung von Grundstücken, Spielplätzen, Feldern, der Uferpromenade, und, und, und. Die Uferpromenade geht zum Teil auch gut 15 oder 20 Meter die Klippe hinauf. Unten schlägt die Brandung an die Felsen. Liebespärchen scheinen selbst im Herbst dort ihre Zweisamkeit zu suchen.

Das faszinierendste Stück dieser Landschaft ist aber Land's End bei John O'Groats, dem letzten Haus auf dem Mainland. Fährt man dort noch ein Stück in Richtung Leutturm und geht man dann ein wenig das ufer entlang, so verschlägt es einem fast den Atem: Da geht es zwischen den seit Urzeiten umeinandergefalteten Klippen mal eben 40 Meter runter, nur um zehn Meter weiter ebenso senkrecht wieder raufzugehen. Als ob einer mit einer gigantischen Schere aus purer Langeweile Kerben in die die Küste gschnipselt hätte. Und so weit unten, daß man sich schon gefährlich weit vorbeugen muß, kracht die - in diesem Fall Nord- - See gegen die Klippen. Geht man nun wieder zurück zu dem Leuchtturm mit der Funkstation, und dort bis an die Klippen, so guckt man auf den Atlantik und die Insel Stroma. Dort haben die Tommies übrigens irgendwann im ersten Weltkrieg so richtig viele Kriegsschiffe versenkt. Ein kleines(!) Museum im Ort mit dem letzten Haus auf dem Mainland berichtet anhand von Strandgut über die Schiffe, die dort auf dem Meeresgrund liegen. Und irgendwie ist die See auch ganz anders. Da schwappen nicht nur Nordsee und Atlantik zusammen, da spielt das Meer einfach ein bißchen verrückt.

Ich bin dann da oben noch ein Stück durchs Land gefahren - mal eben ein paar Meilen hierlang und dann wieder ein paar Meilen dalang. Und dann fällt einem auf, was die Konzentration der Landwirtschaft, die der Graf Sutherland eingerührt hat, mit sich brachte: zahllose verlassene Bauernhäuser. Dadurch bekommt die Moorlandschaft ein bißchen was von der Gegend, die einem lupine Schauer über den Rücken jagt.

Tag 7

Von der Rückreise durch Caithness nach Aberdeen sind vor allem zwei Dinge erwähnenswert: Die Grey Cairns of Camster und der Hill O'Many Stanes. Bei ersterem handelt es sich um prähistorische Hügelgräber, bei letzterem vermuten die Historiker ein astronomisches Hilfsmittel. Und von Hill O'Many Stanes kann man ein großes Stück Landschaft und Nordsee überblicken.

Die geringe Anzahl der Straßen in dieser Gegend bestimmte, daß ich auch wieder an Dunrobin Castle vorbeikam, diesmal lies ich das aber links liegen, weil der Ben Horn mit dem Denkmal der Sutherlands (??) oben drauf meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Strecke runter nach Aberdeen, meinem nächsten Etappenziel, war einfach nur landschaftlich schön, bot aber sonst wenig aufregendes. Na gut: Der Whisky-Trail lag praktsich auf meiner Route, aber es war Sonntag — wenn ich mich recht erinnere — und da hatten viele Distillerien doch tatsächlich geschlossen. Für den Whisky-Trail sollte man sich in der Tat eine Extra-Woche Zeit nehmen. Über die Öffnungszeiten informieren einen sicherlich die lokalen Tourismusbüros.

Zwei prähistorische Besonderheiten finden sich kurz vor Aberdeen. Da gibt es den East Aquorthies Stone Circle und den Loanhead Stone Circle.

relativ karge Landschaft mit Findlingen und einer Natursteinmauer

Hier haben irgendwelche Vorfahren Steine im Kreis aufgestellt und keiner weiß heute wozu. Bemerkenswert, wie schon beim Hill O'Many Stanes, die Exaktheit der Anordnung. Auch daß die beiden Steinkreise recht dicht beeinander liegen, fand ich interessant. Aber das ist sicherlich nur ein Zufall, denn viele Steinkreise dürften im Laufe der Jahrtausende zerstört oder zugeschüttet worden sein.

In Aberdeen drehte ich einige kleine Platzrunden, mangels Stadtplan, bis ich das Northern Hotel an der Grand Northern Road gefunden hatte. Von außen erinnert das Hotel an die Brücke eines Ozeanriesen.

vierstöckiges Art-Deco-Gebäude

Gänzlich im Art Deco gehalten, mit einem schicken Art-Deco-Pub und mit einem sachlich eingerichteten Restaurant erweckt das Hotel einen sehr angenehmes Gefühl. Nach dem unkomplizierten Check-In durfte ich feststellen, daß sie sich auch bei der Einrichtung des Treppenhauses, der Lobbies in den Etagen und der Gänge und natürlich auch bei den Zimmern ebensoviel Mühe gegeben haben. Ich habe selten ein so konsequent gestaltetes Hotel erlebt. Später ergab ein Gespräch mit dem Manager, daß sie das Hotel erst 1995/96 für sehr viel Geld unter denkmalschützenden Aspekten komplett renoviert haben. Dabei durften sie an der Fassade erstmal gar nichts ändern. Dementsprechend hatten die Fenster auch Maße, wie sie uns heute völlig untypisch vorkommen, so mehr breit als hoch. Erwähnenswert ist noch, daß ein großer Teil der Zimmer für Körperbehinderte (Rollstuhlfahrer) eingerichtet ist, daß es einen schönen Ballsaal im zweiten Stock und einige Konferenzsäle im ersten Stock hat.

Das Northern Hotel war mir dann auch Herberge für zwei Nächte und zur Freude meines Magens konnte ich hier aus English und Continental Breakfest kombinieren. Ins Stadt sind es vielleicht 15 bis 20 Minuten zu laufen, mit dem Auto ist es nur ein Katzensprung. Allerdings ist der Fußweg oder der Bus zu empfehlen, weil es wie überall kaum Parkplätze gibt.

Tag 8

Aberdeen ist die schottische Stadt, die mir am meisten gefallen hat, vielleicht, weil sie auch vieles Modernes hatte. Die meisten Städte und Kleinstädte, die ich bis dahin besucht hatte, sind ja recht alt und auch vom Krieg wenig betroffen gewesen. Dadurch haben sie einen sehr urigen Charme, Aberdeen ist hingegen eine recht junge Stadt um einen älteren Kern am Hafen und neben Old Aberdeen, dem Standort der Universität.

Aberdeen hat sehr viele schöne Pubs, viele davon direkt an der Union Street oder rechts und links daneben. In der Union Street als Hauptgeschäfts- und Einkaufsmeile findet man dann auch McDonald's, Buerger King, Kinos, Jeans-Shops und alles, was sonst hingehört.

Das, was in München die Hypo-Kunsthalle ist, ist in dieser Stadt die Aberdeen Art Gallery and Museum. Mit einem wichtigen Unterschied: Der Hauptsponsor British Petrol hat es nicht nötig, Eintritt zu kassieren. Ganz im Gegensatz zur armen Kunsthalle der Hypobank, die für die oft sehr kleinen Ausstellungen um die 14 Mark Eintritt verlangt. Die BP-Kunsthalle in Aberdeen ist gänzlich kostenlos zu besichtigen, und sie bietet neben aktuellen Ausstellungen und Wanderausstellungen etliche Räume mit alten Meistern. Vorzugsweise schottische Maler, aber auch (so mittendrin) ein Brueghel d.Ä.

Sehr lohnend ist ebenfalls ein Besuch im Provost Skene's House, praktisch das Stadtmuseum. Die Ausstellung zeigt zum Teil die ursprüngliche Einrichtung des Hauses über viele Epochen hinweg, zum anderen gibt es reichlich Fundstücke aus Ausgrabungen zu besichtigen, die einen Eindruck vom alten Aberdeen, der Fischereistadt, vermitteln. Immerhin scheint Aberdeen geschichtlich so bedeutsam gewesen zu sein, daß die Stadt einige britische Maßeinheiten mitbestimmt hat.

Da ich mir neben Museen auch ein Stück aktueller Kultur gönnen wollte, sah ich mir eine recht passable Aufführung von "A Chorus Line" an. His Majesty's Royal Albert Theater bot dafür einen würdigen Rahmen. Sehr witzig: Die Schotten haben anscheinend nichts gegen Knistern einzuwenden. Sie deckten sich kurz vor der Vorstellung allesamt noch schnell mit Pfefferminzbonbons, Kaugummis und anderen Süßigkeiten ein - für den Verzehr während der Vorstellung.

Tag 9

Etwas außerhalb des Stadtzentrums ist noch das The Gordon Highlanders Regimental Museum interessant. Die Gordon Highlanders sind eines der Elite-Regimenter der britischen Armee und sie stehen nach Auskünften der alten Herren noch höher im Rang als die Black Watch der Queen. Das Museum ist voll von Militaria, die von den reichlich vorhandenen Reservisten ausführlichst erläutert werden. Ein viertelstündiges Video informiert zu Beginn über die Geschichte des Regiments, und Männer im wehrfähigen Alter erhalten am Ausgang automatisch eine Broschüre mit Rekrutierungshinweisen. Im Gordon Highlanders Regimental Museum hatte ich dann auch Gelegenheit, einen Schotten zu fragen, was der Schotte gemeinhin unterm Schottenrock zu tragen pflegt: "Buckaroo - that means nothing". Und der gute Mann erklärte mir auch gleich, daß sie beim Appell sommers wie winters zur Inspektion auf einen Spiegel treten mußten. Heutzutage sei es aber für den Einsatz in extremer Kälte erlaubt, Unterwäsche zu tragen. Er selbst, so der alte Herr weiter, sei es aber durchaus ein Zeichen von Härte und Kernigkeit, auch im Winter nichts drunter zu tragen.

In Old Aberdeen bin ich durch den weitläufigen Park gewandert und habe mir die St. Marchar's Cathedral angesehen. Die Holzkassettendecke zeigt die Wappen aller schottischen Familien. Deplaziert fand ich allerdings die Kommerzialisierung dieses Tempels, selbst ein simples Informationsblättchen war bereits mit einem 80p Mitnahme-Zoll belegt. Die Kathedrale geht auf eine keltische Kirche zurück, von der einige Rest in das heutige Gebäude integriert sind. Ringsum die Kathedrale ist ein Friedhof mit sehr alten, sehr interessanten Grabmälern. Faszinierend war die Detailtreue der Lebensläufe bzw. der Titel und Ehrenbezeichnungen der dort Begrabenen.

Man sollte es nicht glauben, aber Aberdeen hat auch einen ziemlich langen und breiten Sandstrand. Die Explanadenstraße könnte gut vierspurig genutzt werden. Aber im Sommer wird es durch die parkenden Autos bestimmt eng. Die steinernen Treppen, die über die Düne zum Strand führen sind exakt durchnumeriert. Zwischen den Stegen sind es gut 120 Meter. Mein Spaziergang ging von Nr. 36 bis zur Nr. 29 aber bis auf ein paar Hunde und deren Dosenöffner waren kaum andere Wirbeltiere am Nordseestrand. Ehrlich gesagt, es pfiff ganz schön, aber es war trotz des Spätherbstes nicht kalt.

Mit all diesen Eindrücken verließ ich Aberdeen durch das königliche Dee-Tal:

Hügelige Herbstlandschaft, Fluss im Vordergrund

Der Fluß plätscherte unbeschwert durch den Herbst, der hier seine volle Pracht zur Schau stellte. Das Bild kann dieses pittoreske Ambiente ebenso wenig rüberbringen, wie den verrosteten Rover, der sich beim Fotografieren hinter mir befand.

Königlich heißt das Dee-Tal vor allem, weil es die Queen oder deren Eltern oder deren Eltern es erkoren haben, einen Landsitz zu beheimaten. Dieser Landsitz ist als Balmoral Castle bekannt und eine Touristenattraktion sondersgleichen. Markantes Zeichen ist die gehißte Flagge der Königin, die kund tut, daß sie anwesend ist. Allerdings ist dieses Zeichen, das Schloß ist mitten in einem Park gelegen, von der Straße aus kaum zu sehen. Dadurch ist der neugierige Besucher gezwungen, sein Auto auf den gebührenpflichtigen Parkplatz zu manövrieren, ab 50p aufwärts für den Aufenthalt zu löhnen, um festzustellen, daß die Besichtigung des Parks und des Schloßes aufgrund "private use" nicht möglich ist. Dafür kann man sich im Souvenirshop die letzten Pennies abnehmen lassen.

Clever sind also jene Touristen, die über die kleine, unscheinbare Brücke fahren und direkt am Tor des Landsitzes der Windsors erkunden, ob sich das Anhalten überhaupt lohnt. Wer ganz enttäuscht ist und trotzdem nicht umsonst ins Dee-Tal gefahren sein möchte, der kann am Balmoral-Eingang vorbei die kleine Straße rauffahren und sich die dort gelegene Lochnagar-Distillerie ansehen. Ist das Schloß zu und will man nicht schon wieder eine Distillerie heimsuchen (irgendwie sind sich ja die Distillerien - nicht die Whiskies - doch irgendwie gleich) hat man eben einfach eine schöne Gelegenheit zu Rasten in malerischer Umgebung.

Ich setzte meinen Weg von Aberdeen nach Edinburgh fort, denn der Nachmittag war trotz des mißglückten Balmoral-Castle-Besuchs schon recht fortgeschritten. Über die A93 und die M90 kam ich wieder zum Firth of Forth und über den Vorort Queensferry nach Edinburgh. Diesmal nistete ich mich aber in einem anderen, etwas nobleren Hotel ein. Leider hatten sie kein Einzelzimmer mehr frei, so daß ich das teurere Doppelzimmer inkl. Einzelzimmeraufschlag von über 15 £ pro Nacht zahlen mußte. (Eigentlich war daran das Reisebüro Schuld, daß mir durch Nichtzusenden des Hotelverzeichnisses die Auswahl des Schlußhotels vor Abreise unmöglich gemacht hatte, was DER nicht näher genannte Reiseveranstalter dann aber mit 100 DM Erstattung ausglich.)

Das Hotel war auch insgesamt eine Kategorie höher einzustufen, als das erste. Das machte sich vor allem beim Frühstück in bezug auf Auswahl und Qualität bemerkbar. Ich schlief dort gut und ruhig.

Tag 10

Ich hatte ja nun schon einen Überblick über Edinburgh gewonnen, so daß ich meine Touren durch und um die schottische Hauptstadt recht effizient gestalten konnte. Allerdings war da neue Hotel etwas weiter Richtung Flughafen gelegen, wodurch ich dann doch immer mit dem Auto in die Stadt fuhr. Das machte sich in den Nebenkosten der Reise deutlich bemerkbar. So alles in allem muß man nämlich in Edinburgh mit etwa fünf £ an Parkgebühren pro Tag rechnen. Natürlich wird der clevere Besserwisser hier einwenden, daß man ja den Bus benutzen könnte, aber mit dem kommt man ja nicht so individuell und zeitlich unabhängig rum, und außerdem ist es für den Ortsunkundigen gar nicht so einfach, das Nahverkehrssystem herauszufinden, wenn man nicht gezielt danach sucht (will sagen: so häufig sind die Bushaltestellen auch nicht). Last but not least, da ich ja schon das Auto pro Tag bezahlte, wäre es schon ein wenig Verschwendung, den Bus zu nehmen. Aber naja…

Ich hatte nun noch zwei Nächte in Schottland. Und die erste davon verbrachte ich zum einen im Internet-Café in der Hanover Street und auf dem Erie Trail durch eine uns völlig fremd Pub-Kulturlandschaft. In Edinburgh gibt es so eine Art Themen-Kneipen, in diesem Fall Gruselthemen. Der Eerie-Trail führt durch den Jekyll-and-Hyde-Pub, den Maggie-Dicksons-Pub, den Old-Fire-Station-Pub und den Sneeky-Petes-Pub. Und wer dann immer noch klaren Blickes ist, kann sich im Last Drop am Grassmarket die letzte Ölung geben lassen. Last Drop heißt die Kneipe übrigens, weil dort früher mal der Galgen stand.

Tag 11

Für den letzten Tag hatte ich mir noch eine kleine Rundreise durch den südlichen Teil Schottlands vorgenommen. Zuerst fuhr ich über die Autobahn von Edinburgh nach Stirling, einer kleineren Stadt mit einer Handvoll touristischer Attraktionen. Von denen sind Stirling Castle und das Old Town Jail besonders empfehlenswert. Das Old Town Jail wurde 1847 unter für damalige Zeiten völlig neuen Gesichtspunkten gebaut. So gab es dort wohl erstmalig für Großbritannien ein Gefängnis mit belüfteten Zellen und einer sinnvollen Beschäftigung für die Insassen. Wer aufmüpfig war, wurde an die Sandschaufelmaschine gekettet und bekam erst nach soundsoviel Umdrehungen seine Mahlzeit. Das Gefängnis ist zum Museum ausgebaut und urige Figuren zeigen die damaligen Zustände. Vom Turm des Gefängnisses hat man dann auch einen hervorragenden Blick über das ganze Umland.

Da ich noch eine kleine Strecke vor mir hatte, fiel der Besuch der Burg sehr knapp aus. Der Souvenier-Shop der Burg zeigt übrigens in einem Panorama-Rundgang recht brauchbare Bilder von der Gegend um Stirling durch die Geschichte hinweg.

Von Stirling fuhr ich weiter auf der Landstraße in Richtung Loch Lomond. Leider war das Wetter an diesem Tag sehr neblig und ich hatte gar keine Fernsicht. So gegen Ende Oktober wirkt die Landschaft auch schon ein wenig trist, aber gerade dadurch auch reizvoll. Der Loch Lomond ist nüchtern betrachtet nicht viel mehr als ein großer See mit ein paar großen, bewaldeten Inseln drin. Das Wasser macht am Ufer allerdings keinen vertrauenserweckenden Eindruck: Es schwamm eine Menge zeug drin rum, was einen glauben läßt, daß die Schotten und ihre Touristen alles in den See werfen.

Nach einer kleinen Orientierungsrunde setzte ich meine Fahrt weiter fort in Richtung Glasgow. Aber naheliegendstes Ziel war die vielfach gepriesene Whisky-Brennerei Glengoyne in der Nähe der Ortschaft Dumgoyne. Man muß ein bißchen aufpassen, daß man die richtige Landstraße erwischt (ich glaube, es war die 809). Die Führung durch die Glengoyne-Distillery war die netteste auf meinem Schottland-Trip. Zu allererst war ich ja ganz alleine da, und die Damen vom Empfang baten mich, doch bis zum offiziellen Beginn (volle Stunde) das Drumherum zu erkunden. Der kleine Wasserfall, den ich dabei entdeckte, er soll übrigens im Sommer versiegt sein, war richtig nett. Als ich meine Schritte aber wieder in Richtung Hauptgebäude lenkte, traf mich fast der Schlag: Eine Schar Touristen, so richtige, mit Kameras auf dem Bauch, fiel über die Distillerie her. Es stellte sich dann heraus, daß es zumeist Engländer waren, und abgesehen von dem typischen Herdenverhalten - alle müssen gleichzeitig in den Bottich gucken - waren sie ganz vernünftig. Aber ich hatte mich schon so auf eine Einzelführung gefreut…

Fiona, die die Führung mitgestaltete, hatte dann auch eine Menge Spotts für die Engländer. Warum, zum Beispiel, haben schottische Rinder keinen Rinderwahnsinn? Ganz einfach, weil sie mit den Resten der Maische vom Whisky gefüttert werden. Diese hat einen, teilweise erheblichen Alkoholgehalt, und führe deshalb eher zu "Happy Cows than Mad Cows".

Mit einer Flasche 21jährigem Glengoyne im Kofferraum fuhr ich dann weiter nach Glasgow, das ich zur Hauptverkehrszeit des Feierabends erreichte. Ich parkte dann relativ weit draußen und nahm die U-Bahn in die City.

Glasgow erinnerte mich irgendwie an Dresden - wie es vor der Zerstörung gewesen sein könnte. Hohe Häuser, die direkt bis an die Straße reichen. Vergleichweise schmale Fußwege und ein großer Bahnhof, der sich allerdings im Umbau befand, und natürlich die Lage an einem richtig großen Fluß mit vielen langen Brücken. Gegen sieben abends - so ungefähr zu dieser Zeit machten auch die Geschäfte zu - machte ich mich auf den "Heimweg" nach Edinburgh. Dort hatte ich dann noch Zeit für einen kleinen Imbiß und einen späten Kinobesuch (Peacemaker, der mit Herrn Clooney und der Atombombe).

Tag 12

Der letzte Tag der Reise ist schnell erzählt. Früh auf, Frühstück gleich auf dem Zimmer (nicht toll, aber pünktlich und ausreichend), und ab zum Flughafen. Mietwagen zurückgeben, Flugsteig raussuchen, Koffer abliefern, anstellen, hinsetzen. Zollfrei einkaufen konnte ich beim Zwischenstopp in Birmingham. Und auf der zweiten Etappe hatte ich natürlich wieder einen Fensterplatz, wenn auch ungleich weiter hinten als auf dem Hinflug.

Und der Rückflug hatte es nochmal in sich: Erstklassiges Wetter und beste Sicht über die gesamte Flugstrecke. Also England, Ärmelkanal, Belgien, Deutschland und die Alpen im Überblick. Woran man erkennt, auf welcher Seite des Kanals man ist? Ganz einfach, zähle die Golfplätze pro zehn Flugminuten. Sinkt der Wert unter 1, ist man auf dem Kontinent. Auf dem Ärmelkanal war richtig viel Betrieb: Schiffe, Boote, Hoovercrafts - lediglich Le Shuttle konnte ich nicht ausmachen, sonst wuselte alles wild durcheinander. Zumindest sah das aus 9000 Metern Höhe so aus. Auch Deutschland ist aus der Luft richtig schön.

Und dann war ich wieder zu Hause.

(Mein Reiseführer: Neumeier, Andreas: Schottland. Erlangen 1996, Michael Müller Verlag.
Der ist wirklich empfehlenswert. Abgesehen vom exzellenten Inhalt ist dieser Reiseführer erstklassig verarbeitet. So ist er sauber gebunden und geschnitten, so daß er auch nach intensiver Benutzung nicht ausfranst.)

zurück  •   zum Archiv   •  weiter