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Eine Geschäftsreise in die USA kann eine Folter sein. Kein gutes Licht werfen Kommentare und Videos im Internet auf United Airlines. Zu Recht, wie meine Erlebnisse an Bord einer Boeing 757 zeigen. 

1. JULI 2012

Wir wünschen Ihnen eine unangenehme Reise

Fliegen in der Economy Class von United Airlines – a Star Alliance Member – ist kein Vergnügen. Anfang Juni flog ich auf Einladung eines weltweit erfolgreichen IT-Konzerns nach Orlando in Florida. Leider dauerte mein Aufenthalt dort nur zwei Tage in einem Hotel des Disney-World-Komplexes. Dafür befand ich mich rund 42 Stunden lang in den Fängen von United Airlines – a Star Alliance Member – und der von dieser Luftverkehrsgesellschaft angeflogenen Flughäfen.

Wer keinen Zugang zu den Lounges hat, findet mittlerweile auch auf dem Tegeler Flughafen, der ja für seinen unkomplizierten freundlichen Service und seine kurzen Wege berühmt ist, nicht einmal mehr kostenlosen Kaffee (lobenswert: Terminal 2 in München).

Da man wegen der Sicherheitsüberprüfungen recht zeitig da sein soll, was der beflissene Reisende natürlich auch tut, steht eine Durststrecke von einigen Stunden an, falls man eine Flasche Cola für 3,50 Euro vom Kiosk oder vom Automaten zu teuer findet. Eine Herausforderung sind da auch die Nichtraucher-Flughäfen. Lobend hervorheben kann man da München oder Peking, wo es die Raucherkabinette gibt. Aber nicht in Newark oder Orlando: „According to Florida law Orlando Airport is a non smoking facility! Gracias por su cooperación.“

Auch im Flugzeug geht es ja bekanntlich nicht gleich los, sondern erst nach geraumer Zeit, einer knappen Stunde etwa, werden Getränke serviert. Bis dahin kann man sich im Flugzeug umschauen. Das ist interessant. Man sieht die zerrissenen Bezüge der an Campingstühle erinnernden Sitze, man sieht eingetrocknete Spuren einer bräunlichen Flüssigkeit an den Lüftungsöffnungen über den Sitzen oder man sieht abgebrochene Plastikteile an Fenstern und Sitzen. Man kann sich auch mit dem Unterhaltungsprogramm vertraut machen. Kommt dann jemand vom Servicepersonal, erhält man für den trocknen Mund auch schonmal das trockne Brötchen zuerst, so dass man sich auf das dann dargebotene Getränk umso mehr freut.

Theoretisch haben wir Island bereits rechts unter uns liegen lassen, da röhren plötzlich die Triebwerke auf voller Leistung. Die Maschine vibriert ein wenig. Auf dem Display des Inflight-Entertainment-Systems ist gut erkennbar, dass der Pilot die Maschine in kürzester Zeit von 10500 Metern auf deutlich über 11000 Meter Flughöhe gebracht hatte. Eine gute Idee, denn kurz darauf rauscht eine andere Verkehrsmaschine quer unter uns vorbei. Durch mein Bullauge erscheint diese etwa so groß wie meine Handspanne, wenn ich diese so in einem Abstand von ungefähr 30 cm hinhalte. (Matheunterricht ist bei mir lange her, aber wenn ich hier richtig überschlage, wäre ein 50 Meter langes Flugzeug, das in meiner ungefähr 30 cm entfernten Handspanne rund 15 cm groß erscheint, vielleicht 200 Meter weit entfernt. Mit dem 2. Strahlensatz ergibt sich aus diesen Schätzdaten sogar ein Abstand von nur noch 100 Metern.)

In jedem Fall war das nah, sehr nah. Vor allem wenn man berücksichtigt, dass eine Unterschreitung des Abstands von zwei Kilometern als gefährliche Annäherung im Luftraum gilt, wobei ich hier auf mein Wissen aus einer Recherche an der Flugunfalluntersuchungsstelle des Luftfahrtbundesamts in Braunschweig zurückgreife. Leider werden die Ereignisberichte der US-Luftfahrtbehörden erst mit einer gewissen Verzögerung unter http://asrs.arc.nasa.gov/search/database.html aufgeführt. Auch beim National Transportation Safety Board http://www.ntsb.gov/investigations/index.html steht noch nichts darüber. Der weitere Flug war ereignislos, und über Kanada hatte ich sogar eine gute Sicht auf die wildromantische Landschaft Neufundlands.

Bei den Inlandsflügen der United gibt es dann auch bei einem 2,5-Stunden-Flug keine kostenlose Mahlzeit mehr. Möglicherweise keine schlechte Idee, denn ein Bekannter von mir und regelmäßiger Kunde der Luftfahrtgesellschaft United Airlines – a Star Alliance Member – beschreibt das so: „As for United Airlines –Believe me, I know EXACTLY what you mean. There is much complaints about the airlines in the US. … I fly with my job about 40 % of the year. All of it is on United out of Newark, NJ. But at the end of the day, they are for the most part a safer and reliable airline. It is what it is. I am glad they abolished the free food … it came to a point, the meals on Continental were so BAD I much rather not have it offered at all. It was torture. Nasty hamburgers and disgusting turkey hotdogs. The "salad" was a joke. It was shavings of rotten unwashed lettuce hidden under sour carrot peels - and one black pitted olive slice. Breakfast was a heavily buttered croissant and a packet of jam. It was dipped in so much butter, that you could feel your arteries cringe and about to clog up before the first bite. It was just: BAD.“ Kurzum: Die Truthahnbrötchen sind eine Folter und der hässliche Salat wird von sauren Möhrenstückchen sowie einem einzelnen Olivenkringelchen überdeckt.

Holm
in Orlando

Schönes Ambiente auf dem Flughafen Orlando, wo ich viel zu früh vom viel zu teuren Shuttle-Service abgesetzt worden bin.

Ärzte empfehlen – gerade für Langstreckenflüge – immer wieder, besonders viel zu trinken. Von 0,25 Litern alkoholfreier Getränke pro Stunde ist die Rede. Bei einem Inlandsflug von 2,5 Stunden Dauer werden bei United Airlines – a Star Alliance Member – insgesamt rund 150 ml Wasser oder Erfrischungsgetränk gereicht. Wer mehr will, muss es sich erbetteln und dabei teilweise sehr eindringlich werden. Alkohol wird in Form einer 0,3-Liter-Dose Bier für sieben Dollar feilgeboten. Bargeld wird jedoch nicht akzeptiert, weshalb sich zum normalen Bierpreis bei einer Mastercard dann auch die Gebühren addieren. Macht für ein kleines Bier rund 5,80 Euro. Mitgebrachter Alkohol ist selbstverständlich nicht gestattet. Zum Glück hat der Steward meine Weinflasche erst entdeckt, als sie schon fast leer war. Eigentlich wollte ich diese Flasche aus dem Duty-free-shop für die nötige Bettschwere schon auf dem Flughafen trinken, doch das geht neuerdings auch nicht mehr. Getränke werden nämlich erst am Gate ausgehändigt.

Ausgehend von einer Sitzbreite von 0,43 Metern und einem Sitzabstand von 0,68 Metern ergibt sich für einen Menschen in der Sitzkategorie Economy (das Wort „Klasse“ kommt mir hier nur schwer aus den Fingern) eine Fläche von 0,2924 Quadratmetern für eine Dauer von mehr als acht Stunden. Für den Transport von lebenden Schweinen schreiben die Verordnungen der Europäischen Union sowie innerstaatliche Vorschriften (TierSchTrV) entsprechend dem Lebendgewicht je Tier eine Mindestfläche von

Gewicht qm
50 0,30
60 0,35
70 0,37
80 0,40
90 0,43
100 0,45
110 0,50

vor. Die EU-Verordnung (Quelle http://www.lfl.bayern.de/iem/qualitaetssicherung/28012/linkurl_0_1.pdf, Merkblatt zur Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport) sagt dazu ausdrücklich „Mindestfläche“, denn „außerdem müssen alle Schweine mindestens liegen und in ihrer natürlichen Haltung stehen können. Zur Erfüllung dieser Mindestanforderungen darf die Ladedichte bei Schweinen mit einem Gewicht von ungefähr 100 kg beim Transport 235 kg/m2 nicht überschreiten. … Diese Mindestbodenfläche kann ferner entsprechend den Witterungsbedingungen und der Beförderungsdauer [eine Beförderung, die ab dem Zeitpunkt der Bewegung des ersten Tieres der Sendung acht Stunden überschreitet] um bis zu 20 Prozent größer sein.“

Eingangs genannter Bekannter bemüht sich um Verständnis: „Infact about two months ago I met the CEO Jeff Smisek on a flight from Newark to Chicago. I think overall there are a few factors that make the service the way it is: With terrorism and problems we have with flying in the US, the attitude about flying has completely changed in the last 11 years. The bad economy triggers airline layoffs and grumpiness. Fuel Hedging. After labor costs, fuel will be the next biggest expense to the company (I would imagine?). Fuel is Hedged -so it adds to complex fuel prices. If United is paying more for fuel, then the current market value that adds to higher costs.“ Doch das ist nur die halbe Wahrheit, den natürlich steht es jeder Luftfahrtgesellschaft frei, ihre Kunden menschenwürdig zu befördern und dafür ein angemessenes Entgelt zu verlangen. Einen Zusammenhang zwischen Sitzabstand und Terrorismus sehe ich nicht. Obwohl … Natürlich würde eine vernünftige Beförderung zum entsprechenden Preis womöglich dazu führen, dass der Profit schwindet, weil sich weniger Leute eine solche Reise leisten können oder wollen. Der Profit steigt jedoch mit jedem auf das Kilogramm Treibstoff zusätzlich beförderten Stück Lebendfracht. Der sparsame Umgang mit Getränken reduziert nicht nur das Startgewicht, sondern schont auch die Umwelt, denn es müssen dann natürlich viel weniger Fäkalien mitgeflogen und anschließend entsorgt werden. Komfort und reichlich zu trinken würden also viel Geld kosten. Geld, dass Mister Smisek gerne sparen möchte. Wie groß das Problem bei United ist, lässt sich an den zahlreichen Beschwerden im Internet, beispielsweise unter http://www.bizjournals.com/bizjournals/blog/seat2B/, ermessen.

Flugzeug-Stilleben

Mieten statt Kaufen – die Amerikaner denken um. Daneben: die Getränke, die man für zweieinhalb Stunden freiwillig von United Airlines – a Star Alliance Member – ausgehändigt bekommt.

Dem entgegen rechnen manche Luftfahrtgesellschaften offensichtlich damit, dass die Menschen als vernunftbegabte Wesen auch unter widrigen Bedingungen nicht sofort übereinander herfallen, sondern versuchen, den Unbill (zum Beispiel den permanenten Körperkontakt mit einem wildfremden Menschen) mit Geduld und Würde zu ertragen. Das ins Kalkül einzubeziehen, ist schäbig und billig. Das Promotion-Video mit Jeff Smisek, dem CEO von United Airlines – a Star Alliance Member – kann daher nur als Verhöhnung der Holzklasse gemeint sein.

(Das Video wurde bei YouTube als „privat“ gekennzeichnet und ist nur nach Anmeldung abrufbar)

Wobei: Der Slogan „Planes changes. Values don’t“, den sie da auf ihre Servietten drucken, ist da in gewisser Weise verräterisch. Schade, dass Gershwins Rhapsody in Blue für das Promotion-Video herhalten muss. Das hat dieses schöne Musikstück nicht verdient. (Die Videos gehören zu einem anderen Flugzeugtyp, haben aber den gleichen Inhalt und unterscheiden sich nur bezüglich der Sicherheitsmerkmale der Maschinen.)

Wie es wirklich gemeint sein könnte, zeigt die Parodie:

Da nun United Airlines nicht die einzige Luftfahrtgesellschaft ist, die ihre Passagiere derartig zusammenpfercht (bei China Air – a Star Alliance Member – war es nicht besser) muss man wohl davon ausgehen, dass „a Star Alliance Member“ als Warnung verstanden werden muss.

Bei der nächsten Einladung zu Gesprächen und Konferenzen beim weltweit erfolgreichen IT-Konzern rechne ich mit einem Flugschein in der Klasse „Economy plus“ (schätzungsweise zehn Zentimeter mehr Sitzabstand nach vorn) oder – besser – gleich mit einer Schiffspassage.

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