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Ehrlich? Während meine Breva 1100 einfach nur ein Motorrad ist, praktisch, so unendlich praktisch und anspruchslos und schnell und sparsam, so ist dieses Motorrad hier eben auch ein Hingucker.

19. JULI 2015

Mit der Audace um Berlin drumherumbollern – erste Erkenntnisse

Praxis-Berichte schreiben viele. Ich schreibe auch mal einen. Jetzt ist, Dank den Berliner Behörden, die Audace tatsächlich und amtlich meine. Meine Audace (übrigens auf der ersten Silbe betont, also bitte nicht „au-Daatsche“, sondern molto italiano „A-u-da‘dchä“) konnte ich ja schon einige hundert Kilometer fahren. Viele tausende werden folgen. Das veranlasst mich zu einem kleinen Rückblick in meine Historie als zweirädriger Späteinsteiger:

2003 - 2005: Moto Guzzi Breva 750 .. ca. 23.500 km
2005 - 2013: Moto Guzzi Breva 1100 .. ca. 98.000 km
2010 - 2012: Moto Guzzi Le Mans III .. ca. 8000 km
2013 - heute: Moto Guzzi Le Mans III .. ca. 4000 km
2014 - heute: Moto Guzzi Breva 1100 ABS .. ca. 6000 km
2015 - heute: Moto Guzzi California 1400 Audace .. ca. 700 km

Zusammengenommen sind das 140200 oder, binär ausgedrückt, 100010001110101000 Kilometer bzw. 3,5 Erdumrundungen am Äquator oder 87116 Meilen oder ungefähr das 6,6-fache der Länge der Großen Mauer in China. Bei Lichtgeschwindigkeit bräuchte ich für diese Strecke im Vakuum ungefähr 483 Millisekunden. Da ich die Strecke allerdings überwiegend STVO-konform (also deutlich unter Lichtgeschwindigkeit) in Deutschland, Österreich und der Schweiz (also weniger im Vakuum) zurückgelegt habe, benötigte ich statt der 483 Millisekunden fast zwölf Jahre.

Auch einige Pässe waren dabei, also ziemlich genau 65 Pässe. Der Reihe nach ergeben die Passhöhen, die meine Motorräder (und ich) erlebt haben, folgendes Bild, wobei ich nur das ungefähre Datum der Erstbefahrung eines Passes festgehalten habe:

Paessediagramm

Noch habe ich keinen dieser Pässe mit der Audace bezwungen (anklicken, um das Bild vergrößert zu sehen).

Da ich mit den Motorrädern nicht zur Arbeit fahren – es sei denn, es lockt bei schönem Wetter eine Konferenz in Hamburg oder Stuttgart – ist das eine Bilanz, auf die ich schon ein wenig stolz bin. Einen schon geplanten 100.000-km-Breva-Bericht für die Zeitschrift Motalia musste ich dann fairerweise weglassen. Die Breva fiel einem Toyota zum Opfer (erst vor der Kreuzung beschleunigen und dann doch Angst kriegen und ohne Rücksicht auf Nachfolgende wie mich eine Vollbremsung hinlegen, und ja: ich hätte nicht auch noch mit über die Kreuzung gemusst).

Nun hat auch die Audace ihre ersten Ausfahrten genießen dürfen. Die erste Tour führte durch die Priegnitz über Rheinsberg nach Neustrelitz, wo Hertha BSC gegen den ortsansässigen Turn- und Sport-Verein ein Freundschaftsspiel veranstaltete.  Muss ich dazu schreiben, dass mich Fußball nicht interessiert? Deswegen bin weiter nach Berlin gefahren. Das waren reichlich 200 Kilometer zum Aufwärmen. Allerdings hat mich der Durst der Audace veranlasst, in den Unterlagen nachzuschauen. Es stimmt: 10,4 Liter Super-Treibstoff pro 100 Kilometer zurückgelegter Strecke sagt das COC, das Certificate of Conformity im Rahmen der Fahrzeug-Typenprüfung.

audace_2Bei einigermaßen schonender Fahrweise, maximal im punktefreien Bereich und eher im Rahmen der STVO führen zu einem Verbrauch von knapp sieben Litern pro 100 Kilometer. Die Tankrechnungen scheinen das zu bestätigen. Ebenso die kleine Feierabendrunde an die Müggelspree: Ziemlich genau bei 200 km ruft die Audace nach neuem Stoff und bei den dokumentierten 5 Litern Reserve heißt das: innerhalb von 50 Kilometern eine Tankstelle finden. Abseits der Autobahn auf kleinen und kleinsten Sträßchen – also im natürlichen Habitat der Audace – kann das durchaus mal zu spannenden Momenten führen. Damit dürfte der 20-Liter-Tank wohl alle 250 Kilometer zum Tankstopp zwingen.

Die fahrfertig, aber spritlos 300 kg schwere Audace zur Tankstelle zu schieben, überlasse ich Bodybuildern. Doch wie ich mich kenne, wird das unweigerlich passieren. Mal sehen, ob wie bei der Stelvio im Rahmen der Modelpflege ein größerer Tank folgt, und hoffentlich ist der Serbatoio dann auch auswechselbar.

Während es umheimlich viel Spaß macht, das schwere Ding forciert durch die Priegnitz oder entlang der Müggelspree, macht es unheimlich viel Spaß mit dem schweren Ding einfach nur dahinzurollen. Allerdings ist das Vergnügen des Dahinrollens nur von kurzer Dauer, denn dann möchte man einfach am Hörnchen drehen, weil der Vortrieb, den das schwer Ding entwickelt, unheimlich viel Spaß macht. Irgendwie unheimlich.

Unheimlich ist aber auch die Elektronik, vor allem, wenn Guzzi das Handbuch noch nicht geliefert hat. Dann kann es nämlich schon einmal passieren, dass durch ein paar nicht ganz genau abgewägte Tastendrücke ganze Funktionen abgeschaltet werden. Beispielsweise wenn man beim Rückstellen des Tageskilometerzählers an der Tanke mal einfach noch ein bißchen weiter klickt. Nun muss ich herausfinden, wie ich die Traktionskontrolle wieder einschalte. Den Nutzen derselben habe ich schon gespürt, auf glitschigen Straßenbahnschienen und bösartigen Bitumenschmierereien. Da mag man über elektronische Helferlein geteilter Meinung sein, an dieses Motorrad gehören sie ran, meine ich. Da mag an der Kombination aus Größe, Radstand, Gewicht, Leistung,  Drehmoment und Reifendimensionen liegen. Klar, man kann sich auch mit einer Kreidler und ohne elektronische Helfer und bei 40 km/h an einem Baum den Schädel einrennen. Und an eine Le Mans gehört keine Elektronik außer vielleicht eine elektronischen Zündanlage. Die LM3 mit ABS und Bordcomputer? Lächerlich. Außerdem ist die Integralbremse unerreicht.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die nächsten Runden mit dem schweren Ding unheimlich viel Spaß machen werden.